Von der "individuellen Lebensgestaltung" zur "Kunst"?! und zurück!?

"Das Meisterwerk eines Menschen, auf das er besonders stolz sein kann, ist sinnvoll zu leben; alles übrige, ...., sind Nebensachen."(Michel de Montaigne)

Dieser Satz wirkt auf uns durchaus überzeugend- auf den ersten Blick. Allerdings wirft er mehrere Fragen auf, denen man sich stellen sollte, um beurteilen zu können, ob man ihm wirklich vollständig zustimmt, um dann aus ihm auch praktische Schlussfolgerungen ziehen zu können:

Was bedeutet "sinnvoll zu leben"? Was ist "Sinn"? Wie weit kann man seinem Leben einen ganz individuellen Sinn, unabhängig von der Gemeinschaft mit anderen Menschen und der geschichtlichen Situation, den gesellschaftlichen Umständen, allgemein den äußeren Randbedingungen, in die man eingebettet oder denen man gar ausgeliefert ist, überhaupt geben? Kommt es letztlich nur auf ein autonomes Sinnempfinden des Einzelnen an? Wie hängt der empfundene Sinn vom individuellen Wesen des Individuums ab- von seinen Erfahrungen, ...?

Für einen Menschen, der sinnvoll leben möchte, ist dies sicherlich umso einfacher zu erreichen, sofern er eine möglichst große Entscheidungsfreiheit über seine eigenen Lebensumstände hat- die Befriedigung seiner menschlichen Grundbedürfnisse vorausgesetzt.

Wieso bietet es sich an, die Gestaltung eines "sinnvollen" Lebens mit der freien Gestaltung eines "Materials" - im allgemeinsten Sinne- also mit dem, was man als "Kunst" bezeichnet, zu verbinden? Ohne hier näher auf den Begriff "Kunst" näher einzugegen, ist dies doch ein Gestaltungsbereich einer sehr großen Freiheit, die auf jeden Fall größer ist, als sie das "normale" bürgerliche Leben bietet. Damit liegt auch der Gedanke nahe, in diesem "virtuellen" Bereich der Kunst , diesen zusätzlichen Freiheitsraum gedanklich und bei der Gestaltung eines Materials experimentell auszuprobieren, um damit wegen der teilweisen Durchdringung der Räume "Leben" und "Kunst" einige Erkenntnisse vom einen Bereich in den anderen zu übertragen. Eine Tätigkeit im Bereich der Kunst kann dem Gestaltenden- aber auch dem sensiblen Rezipienten- die Möglichkeit bieten, aus sich selbst, aus seinem gewohnten Alltag, "herauszutreten" und seine Situation aus der Entfernung besser zu erfassen, zu bewerten um dann unbefangener zu Schlussfolgerungen für sich selbst und die eigene Lebensgestaltung zu gelangen.

"Ausweis des Kunstwerkes ist die Möglichkeit, an ihm ästhetische Erfahrung zu machen. So bietet sich heute Kunst als ausdifferenziertes System dar, das im gesellschaftlichen Verbund der Systeme die besondere Leistung bereithält, die "Erzeugung unwahrscheinlicher Aufnahmebereitschaften" zu übernehmen. Kunst ist das Medium komplexer Erfahrung wie hoher Reflexionsgeschwindigkeit, Kunst ist das Laboratorium für neue Entwürfe von Weltsichten. Weil die Rücksichten des praktischen Lebens nicht zählen, können in der Kunst ungewöhnliche Wege zur Konstituierung von Wirklichkeit erprobt werden. Kunst bürgt nicht für letzte Sinnerfüllungen oder verbindliche Perspektiven der Utopie. Sie ist auch nicht mehr Unterpfand geschichtspolitischer Wahrheiten. Die falschen, weil totalen, wenn nicht sogar totalitären Ansprüche sind verabschiedet. Übrig bleibt die Kunst als präzise Artikulation, als sinnlich verfasstes, deshalb konkretes Medium der Reflexion. Die so verstandene Kunst ist frei von Möglichkeiten konkreter Intervention, frei aber auch zu jedem die Konvention überschreitenden Experiment."

(Lüddemann, Stefan: Kunstkritik als Kommunikation. Vom Richteramt zur Evaluationsagentur. Deutscher Universitäts -Verlag, Wiesbaden 1994, ISBN 3-8244-4565-4 )

Auch aus einem anderen Grunde ist es naheliegend in die Gestaltung des eigenen Lebens eine Integration der Kunst in Betracht zu ziehen. Im Leben ist es von besonderer Bedeutung den Verstand, die Vernunft und damit gewonnenen Erkenntnisse mit dem eigenen Gefühl abzustimmen, möglicherweise auch. um zur Vermeidung von gefährlichen Einseitigkeiten und um das eigene Leben insgesamt "gelingen zu lassen", einige notwendige Kompromisse zu machen. Auch die Kunst kann beide Bereiche- Verstand und Gefühl - des Menschen ansprechen. Während das "Gefühl" stärker durch die Ästhetik- insbesondere durch Farben- angeregt wird und dem Betrachter- eine entsprechende Sensibilität vorausgesetzt- damit möglicherweise unmittelbar zu einem Genuss oder aber auch Missvergnügen verhilft- kann sich der Verstand im allgemeinen durch Interpretation des Dargestellten und seiner Formen einbringen.

Von besonderem Interesse sind deshalb für uns Werke, in denen beide Bereiche "Verstand" und "Gefühl" zum Betrachter "sprechen". Durch eine subjektive Interpretation des Dargestellten kann der Betrachter im Idealfall eine Beziehung, einen direkten Zusammenhang zwischen sich selbst und dem Werk herstellen. Damit ist der Betrachter indirekt an der Gestaltung des Werkes selbst beteiligt, er gestaltet sich sein eigenes Werk. Damit besteht bei interpretationsoffenen Werken die Chance, dass es zu einer relativ dauerhaften Beziehung zwischen dem Werk und dem Betrachter kommt. Der Betrachter wird im Laufe seines Lebens in andere Situationen gelangen, wird andere Auffassungen gewinnen, wird damit auch anders an das Werk herangehen und es, durch andere Assoziationen unterstützt, auch anders deuten können. Das ist sicherlich ein Grund dafür, dass es für ihn dann auch von längerem intrinsischem Interesse sein kann. Durch die jeweilige Interpretation erhält er die Möglichkeit an sich selbst oder im Gespräch mit einem weiteren Betrachter andere Eigenschaften und Ansichten seiner Gesprächspartner kennenzulernen. Eine statische Darstellung eines Gesichts, einer geschichtlichen Situation, der Natur, eines Gebäudes bietet in dieser Hinsicht i.a. sicherlich weniger Möglichkeiten für den Betrachter, eine relativ langandauernde Beziehung zum Werk herzustellen- es sei denn, er ist an einem bestimmten Spezialgebiet- zum Beispiel an geschichtlichen Ereignissen- interessiert.

Die Gestaltung eines interpretationsoffenen Werkes hat auch deshalb für uns eine herausragende Bedeutung, weil hier eine enge Analogie zwischen der Kunst und der Lebensgestaltung besteht- zum einen kann durch Interpretation eines Werkes ein Zusammenhang zwischen Werk und Betrachter hergestellt werden, zum anderen spielt auch die Interpretation bei der Deutung von Lebenszusammenhängen, bei der Ausformung des eigenen Weltbildes, bei der Bildung von Werten und beim darauf aufbauenden Verhalten eine herausragende Bedeutung: Es gibt keine Tatsachen, es gibt nur Interpretationen (Nietzsche).

"Die jeweils andere Aufnahme der Werke setzt einen Reflexionsprozess in Gang und vermittelt konkrete Anregungen, um inmitten der ganzen Bandbreite des Wirklichen und Möglichen den eigenen Weg zu durchdenken und schließlich sich selbst in der Auseinandersetzung mit dem Dargebotenen neu zu bestimmen."
(Wilhelm Schmid: Philosophie der Lebenskunst- Eine Grundlegung (Seite 79), Suhrkamp, 1998, ISBN 3-518-28985-3)

Unsere Werke ordnen wir der Erkenntniskunst zu- wir selbst haben bei ihrer Gestaltung einige Erkenntnisse über uns selbst und unsere Lebensumstände gewonnen- vielleicht ist dies auch dem Betrachter der Werke durch ihre Interpretation möglich.

 

Zur Bedeutung der Interpretation von unseren Werken und sich daraus ergebenden Chancen für der Betrachter:

Da wir hier "interpretationsoffene Werke" vorstellen, kann der Betrachter der Werke und der Leser dieser Zeilen daraus schließen, dass wir der "Interpretation" offensichtlich große Bedeutung beimessen. Nun sind allerdings die von uns in der Überschrift dieser Webseite verwendeten Begriffe "individuelle Lebensgestaltung" und "Kunst" alles andere als eindeutig, sondern können auch selbst unterschiedlich interpretiert werden.

Es erscheint deshalb sinnvoll, zunächst eine kurze Bescheibung dieser Begriffe, so wie wir sie verwenden, vorzunehmen. An anderer Stelle haben wir eine solche Erläuterung zwar bereits vorgenommen, damit dieser Abschnitt unabhängig vom Rest der Webseite gelesen werden kann, ist eine solche Kurzbeschreibung hier dennoch zweckmäßig.

   

 

  Unter individueller Lebensgestaltung verstehen wir eine Lebensführung, die sich nicht übermäßig stark und unreflektiert von ihrer Umgebung beeinflussen und nicht sogar noch manipulieren lässt. Eine Lebensgestaltung, die sich- durchaus verantwortungsvoll und kooperatativ gegenüber Mitmenschen, allgemein der Gesellschaft - an den eigenen wohlverstandenen Bedürfnissen und Wertvorstellungen orientiert, dabei eine gewisse Autonomie, Authentizität wahrt und auch zu diversen Zumutungen sozialer Gruppen und deren Interessen "nein" sagen kann und konsequent danach handelt. Dazu gehört auch die Courage, sich manipulatorischen Gruppenzwängen und der Auffassung und dem Drängen derer, die vorgeben zu wissen. was für einen selbst gut und angemessen ist, zu entziehen. Dies schließt natürlich auch die Bereitschaft ein, für sein Handeln möglicherweise auch Nachteile zu akzeptieren.
 

 

   

Den Begriff "Kunst" allgemein und zeitunabhängig zu definieren ist wohl eine äußerst aussichtslose Angelegenheit. Zu stark gehen dort nicht zuletzt persönliche und gruppenorientierte Interessen ein- die den Begriff "Kunst" letztlich fast aller Aussagekraft beraubt haben. Wir sind hier nur an einigen wenigen Eigenschaften von "Kunst" interessiert, die jedoch relativ unstrittig sein dürften. Unter Kunst verstehen wir einen freien Gestaltungsraum, in dem alle Eigenschaften, Begabungen und Fähigkeiten des Menschen wirken und in Werken- die selbst keinem unmittelbaren "nützlichen" Zweck dienen- Ausdruck finden können. Dabei ist es insbesondere für uns von Bedeutung, dass Gefühle, subjektive Auffassungen und der Verstand, die Vernunft, gestaltend wirken können. Kunst ist dadurch vor allem dadurch ausgezeichnet, dass sie eine besonders großen Freiheitsraum innerhalb der Gesellschaft hat, der unter dem ausdrücklichen Schutz des Grundgesetzes steht.
Dies macht Kunst besonders wertvoll in einer Gesellschaft, die notwendiger Weise zu ihrem Funktionieren, real doch einige Einschränkungen hinsichtlich der individuellen Freiheit vornehmen muss, nicht zuletzt auch zum Schutz und im berechtigten Interesse ihrer Individuen.

Kunst "muss" garnichts, sie muss auch nicht "wehtun", wie manche meinen, sie muss auch nicht provozieren, muss nicht Skandale liefern , muss auch nicht austesten, wieweit sie denn "gehen darf", wie etwa durch die Darstellung von Hitlergruß oder Hakenkreuzen. Obgleich natürlich so ein Skandal in der Vergangenheit der Kunstgeschichte häufig durchaus den Künstlern sehr förderlich war ... . Und sie muss auch nicht die höheren Weihen von Museen, Galerien und Kunstsachverständigen erhalten, um überhaupt "Kunst" zu sein- wichtig ist für uns also nicht irgendeine Begrifflichkeit von "Kunst" , sondern die potentielle Wirkung auf den Betrachter, wobei wir widerum an ganz speziellen potentiellen, natürlich betrachterabhängigen Wirkungen interessiert sind.


 

Eine sinnvolle Verbindung von Kunst und der Gestaltung des eigenen Lebens lässt sich ausgehend von der potentiellen Wirkung von Kunstwerken auf den Betrachter oder aber vom Wunsch nach einer Gestaltung eines erfüllten Lebens begründen. Im Folgenden werden wir die Begründung auf der Basis einer reflektierten Lebensgestaltung vornehmen:

Wer ein bewusstes, reflektiertes, Leben führt, wird sich wohl ab und zu die "Sinnfrage" stellen: Sinn in Bezug auf sein individuelles Leben, auf sein eigenes Handeln und/oder auf das Dasein der Welt schlechthin. Das Empfinden von Sinn in Bezug auf das individuelle Leben stellt sich nach unserer Verwendung des Begriffs ein, wenn wir etwas, das für uns einen ideellen oder materiellen Wert hat, mit uns durch unser Gefühl- also empfindend-, durch unsern Verstand- also erkennend-, durch unser Handeln- also aktiv fördernd- verknüpfen.

Menschen verfolgen nicht selten "ihre" Ziele mit großem persönliche Einsatz und Beharrlichkeit, fragen sich aber dabei nicht, ob diese Ziele wirklich ihnen selbst, ihren ureigensten Wünschen entsprechen, oder ob sie ihre Ziele nicht mehr oder weniger kritiklos von ihrer Umgebung übernommen haben, weil sie entsprechend sozialisiert worden sind und es eben auch leichter ist, Ziele zu übernehmen als sich- unter Umständen recht mühselig, auch mit der Gefahr des Scheiterns- die Ziele zu suchen, die einem selbst entsprechen und deren Verfolgung auch auf längere Zeit "einen Sinn macht". Wer aus einer großen Vielzahl von möglichen Zielen auswählen kann und diese Gelegenheit auch nutzt, wird zwar deshalb zunächst nicht glücklicher, aber hat dadurch zumindest die Möglichkeit etwas zu finden, das ihn später seine Wahl nicht bereuen lässt.

Die Grundlage für ein ideales Verfolgen von Zielen ist die persönliche Entscheidungs- und Gestaltungsfreiheit, die im realen Leben nicht oder nur unvollkommen vorhanden ist. Ein Bereich mit fast grenzenloser Freiheit ist die "Kunst", was immer dies auch im Einzelnen sein mag.

Kunst oder Kunstwerke werden wohl- von Ausnahmen einmal abgesehen- dem Leben nicht als Kompass oder Richtschnur dienen können, auch werden sie dem Leben keinen belastbaren Sinn in den wohl unvermeidlichen Krisensituationen des Lebens geben können.

 


Terry Eagleton: Der Sinn des Lebens, List- Verlag, 2007, ISBN 978-3-548-60943-0

Seite 34

"Vielleicht denken alle Menschen über den Sinn des Lebens nach, doch manche aus guten geschichtlichen Gründen eben intensiver als andere. Sollten Sie sich gezwungen sehen, intensiv über den Sinn des Dasein schlechthin nachzudenken, kann man jede Wette eingehen, dass die Welt aus den Fugen geraten ist. Die Frage nach dem Sinn des eigenen Lebens ist etwas anderes, denn man könnte behaupten, dass Selbstreflexion normaler Bestandteil eines erfüllten Lebens sei. Wer sich noch nie gefragt hat, wie es um das eigene Leben bestellt ist und ob es nicht verbesserungsfähig wäre, dem scheint es erheblich an Selbsterkenntnis zu mangeln. Im Leben eines solchen Menschen dürfte es mehrere Bereiche geben, in denen es nicht besonders gut läuft. Allein die Tatsache´, dass er sich nicht fragt, wie es um sein Leben steht, lässt vermuten, dass nicht alles ist, wie es sein sollte. Wenn sich in Ihrem Leben alles bestens entwickelt, dürfte das auch daran liegen, dass Sie von Zeit zu Zeit grübeln, ob Sie ein wenig daran herumbasteln oder etwas verändern sollten."

 

Durch den inhaltlichen Bezug von Kunstwerken auf Entscheidungssituationen, auf existentielle Grundprobleme, Wertvorstellungen, Ängste, Glücksmöglichkeiten, mögliche Sinnempfindungen jedoch können im Betrachter Assoziationen, Interpretationen angeregt werden, die ihn zur Erkenntnissen führen können, die seine eigene Lebenssituation betreffen. Der indirekte Weg über das Werk- über die "virtuelle Welt" der Kunst- schafft ihm zunächst einen Abstand zu seiner eigenen Situation, der Blick von außen regt seine Phantasie unvoreingenommener und lässt ihn unbefangener Zusammenhänge und Verbindungen in unterschiedlichen Richtungen assoziieren. Dabei können durch die Werke das Gefühl und der Verstand prinzipiell gleichberechtigt angesprochen werden. Gerade durch eine entsprechende Abstimmung von ästhetisch auf das Gefühl wirkende Form, Farbe und stärker auf den Verstand wirkenden Inhalt kann der Betrachter in seiner Gesamtpersönlichkeit einen Bezug zwischen dem Werk und sich selbst durch Interpretation herstellen.

Wir haben selbst solche Erfahrungen in unterschiedlicher Weise bei der Gestaltung unserer Werke machen können- bei Durchdenken und "Durchfühlen" der thematischen Inhalte und ihrer formalen Umsetzung. Der Gestaltungsprozess hat für uns deshalb eine besondere Bedeutung. Ob und in welchem Maße der Betrachter einen nicht nur oberflächlichen Bezug zwischen sich und dem Werk bei der Rezeption herstellen kann, wird dieser natürlich nur selbst beurteilen können. Eine mögliche Wirkung der Werke auf ihn kann es sein, das eigene Wesen hinsichtlich der von uns oben aufgeführten Aspekte, wie persönliche Wertvorstellungen, Wünsche, Möglichkeiten des Empfindens von Sinn, etc., indirekt zu erkennen. Nicht selten ist es der Weg über einen kleinen Umweg, der am schnellsten und/oder am sichersten zum Ziel führt.

 

Lüddemann, Stefan: Kunstkritik als Kommunikation. Vom Richteramt zur Evaluationsagentur. Deutscher Universitäts -Verlag, Wiesbaden 1994, ISBN 3-8244-4565-4

"Ausweis des Kunstwerkes ist die Möglichkeit, an ihm ästhetische Erfahrung zu machen. So bietet sich heute Kunst als ausdifferenziertes System dar, das im gesellschaftlichen Verbund der Systeme die besondere Leistung bereithält, die "Erzeugung unwahrscheinlicher Aufnahmebereitschaften" zu übernehmen. Kunst ist das Medium komplexer Erfahrung wie hoher Reflexionsgeschwindigkeit, Kunst ist das Laboratorium für neue Entwürfe von Weltsichten. Weil die Rücksichten des praktischen Lebens nicht zählen, können in der Kunst ungewöhnliche Wege zur Konstituierung von Wirklichkeit erprobt werden. Kunst bürgt nicht für letzte Sinnerfüllungen oder verbindliche Perspektiven der Utopie. Sie ist auch nicht mehr Unterpfand geschichtspolitischer Wahrheiten. Die falschen, weil totalen, wenn nicht sogar totalitären Ansprüche sind verabschiedet. Übrig bleibt die Kunst als präzise Artikulation, als sinnlich verfasstes, deshalb konkretes Medium der Reflexion. Die so verstandene Kunst ist frei von Möglichkeiten konkreter Intervention, frei aber auch zu jedem die Konvention überschreitenden Experiment."

 

Da der Begriff "Kunst" inhaltlich offen und beliebig ist, liegt es nach unserer Ansicht durchaus nahe, diesen auch mit einem für den Menschen- dem Werkschaffenden und dem Betrachter- besonders bedeutsamen Inhalt zu verknüpfen: mit der Selbsterkenntnis, mit der Klärung seiner ureigensten Wünsche, Ängste, ..., seinen ganz persönlichen Möglichkeiten die Tätigkeiten auszuüben, die ihm Sinn geben. Dies ist nur dann möglich, wenn die Werke "offen" angelegt sind und dem Betrachter keine reinen Fakten oder eine bestimmte Auffassung starr mitgeteilt werden. Sofern der Betrachter im einen oder anderen Fall dennoch den Eindruck haben sollte, dass ihm eine bestimmte Auffassung aufgedrängt werden soll, dann möge er dies lediglich als Herausforderung ansehen, sich dazu kritisch seine eigene Auffassung zu bilden.

Wir bieten dem Betrachter die Möglichkeit sich in unsere Werke einzubringen, weil der Mensch seinem Wesen nach ein soziales Wesen ist- na ja, in gewissen Grenzen- und ein Sinnempfinden, ganz allein auf sich selbst begründet, auch somit für uns, nicht vorstellbar ist. Sofern sich der Betrachter durch Interpretation in unser Werk einbringen kann, würde er ihm dadurch noch einen zusätzlichen Sinn geben.

Wir können natürlich nicht wissen, ob und wie weit der Betrachter den von uns geschilderten Weg mitgeht und ob ihn überhaupt einige Werke von uns angesprochen haben. Falls letzteres nicht der Fall sein sollte, möge er vielleicht zumindest die Anregung erhalten haben, darüber nachzudenken, ob der von uns hier ausgebreitete Ansatz für ihn überhaupt sinnvoll ist. Wir haben nicht die Absicht, den Betrachter von der Sinnhaftigkeit eines bestimmten Ansatzes zu überzeugen. Die wichtigste Erkenntnis könnte für den Betrachter und Leser sein, sich kritisch seine eigene Auffassung im Bereich der Kunst zu bilden und sich nicht aufschwatzen lassen, was er sehen "soll" und was er als "gut" zu beurteilen hat, wenn er nicht gerade als "Banause" gelten will. Da muß er gegebenenfalls durch! Eine wichtige Grundlage der Individualität- und damit der individuellen Lebensgestaltung" ist bekanntlich auch die Fähigkeit und der "Mut" in wohlbegründbaren Situationen "Nein" und "Ohne mich" sagen zu können- selbst, wenn die Umgebung dies nicht nachvollziehen kann oder interessengebunden dies nicht nachvollziehen will.

"Das Leben, wie es uns auferlegt ist, ist zu schwer für uns, es bringt uns zuviel Schmerzen, Enttäuschungen, unlösbare Aufgaben. Um es zu ertragen, können wir Linderungsmittel nicht entbehren.
...
Solcher Mittel gibt es vielleicht dreierlei; mächtige Ablenkungen, die uns unser Elend gering schätzen lassen, Ersatzbefriedigungen, die es verringern, Rauschstoffe, die uns für dasselbe unempfindlich machen. ...
Irgend etwas dieser Art ist unerlässlich.
... solch eine Ablenkung ist auch die wissenschaftliche Tätigkeit. Die Ersatzbefriedigungen , wie die Kunst sie bietet, sind gegen die Realität Illusionen, darum nicht minder psychisch wirksam dank der Rolle, die die Phantasie im Seelenleben behauptet hat. "

Sigmund Freud: Das Unbehagen in der Kultur, S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main, 1994

"Es ist die besondere Kraft der Kultur, dass sie uns aus unserem vernünftigen, aber unsouveränen Alltagsverhalten herausreißen kann."

Robert Pfaller (Österreichischer Philosoph)

 

Warum haben wir uns überhaupt die Mühe gemacht, die unserem Werk zugrundeliegende Basis mitzuteilen?

Wir wollten nicht nur einfach unsere Reliefs so drauflos anfertigen- gewissermaßen aus Jux und Tollerei- da wir keinerlei kommerzielle Absichten verfolgen, sondern wollten uns selbst Rechenschaft darüber geben, wie wir unsere Tätigkeit möglichst befriedigend, erweiterungsfähig und mit anderen persönlichen Interessen verknüpft, möglichst langfristig in unser Leben sinnvoll integrieren könnten. Ein ganz wesentlicher Bestandteil unseres Werkes ist nicht nur das Werk als Ergebnis eines Prozesses, sondern der Weg von der Idee, das Prüfen und Verwerfen von Einfällen und die damit verbundenen Überlegungen zum Inhalt, zur speziellen Darstellung und zur Abstimmung von Form und Inhalt. So wird etwa eine Plakette mit dem Thema "persönliche Freiheit" einige Überlegungungen zur Antinomie von Freiheit und Geborgenheit initiieren, die schließlich dann auch in der Realisierung des Werkes ihren Niederschlag finden können.

Der Text zu dieser Webseite wurde von uns zunächst geschrieben, um uns selbst Klarheit über seine verschiedenen Aspekte zu verschaffen und es andererseits in den Gesamtkontext von "Kunst" einzubinden. Gerade auch dieser Schritt war für uns interessant, verschafft er durch das "Studium" von kunstwissenschaftlicher Literatur durchaus auch sehr erheiternde, teils äußerst verwunderliche Informationen und eine ziemlich skeptische und kritische Einstellung gegenüber nicht wenigen Erscheinungen insbesondere des modernen "Kunstzirkus'" Dies gibt anderseits auch den Mut, sich ein eigene, begründbare Auffassung zu verschiedenen Erscheinungen des Kunstsektors und seiner Abhängigkeit vom Zeitgeist zu bilden, ohne jedoch auch die Skepsis und Vorsicht gegenüber dem eigenen Urteil zu verlieren. Da Kunst auch in die allgemeinen gesellschaftlichen Verhältnisse, in den Zeitgeist also, eingebunden ist, kann uns Kunst etwas über den Zustand der Gesellschaft aussagen, was noch von zusätzlichem Anreiz sein kann, sich mit dem Phänomen Kunst allgemein zu beschäftigen um damit auch sich Rechenschaft über die eigene Haltung gegenüber gewissen gesellschaftlichen Erscheinungen zu geben.

Es hat sich dann für uns angeboten, unsere Werke, die den Betrachter zu ganz persönlichen Fragen, sein eigenes Leben betreffend- anregen können, ihm zusammen mit einigen Zusatzinformationen zur Verfügung zu stellen, letztlich um Ihm die Möglichkeit zu individuellen Antworten zu geben, die auch etwas über sein eigenes Wesen aussagen.

Ein wesentlicher Gegenstand unserer Werke betrifft Fragen nach dem "Sinn". Sinn als das Empfinden, das sich einstellt, wenn man sich selbst mit etwas verknüpft, etwas fördert, dem man einen positiven Wert zuordnet. Da der Mensch wenigstens zum Teil ein soziales Wesen ist, das mit seinen Mitmenschen per Empathie verknüpft ist, ist es für uns sinnvoll unsere Überlegungen nicht ganz für uns zu behalten, sondern dem Betrachter und Leser die Gelegenheit, eine Anregung zu geben, die hier angesprochenen Überlegungen kritisch aufzunehmen, sich ein eigenes Urteil zu bilden und vielleicht auch, zum eigenen "Gewinn" teilweise weiterzuentwickeln. Ob dies für den Betrachter und Leser dieser Webseite sinnvoll ist, kann allerdings nur dieser selbst für sich entscheiden.

 

 

 

   

 

 

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