Zur "Freiheit der Kunst"

Dass die Kunst frei sei, dies war in der jüngeren Vergangenheit (nach dem 2. Weltkrieg bis nach der 2.Jahrtausendwende) ein allgemein verbreiteter "Glaubensgrundsatz". Die natürlich vorhandenen Grenzen wurden nicht oder nur marginal thematisiert. Eine Grenze- nicht ganz genau definiert- ist die Verletzung von Strafgesetzen. Wo fängt zum Beispiel beim Zeigen von nationalsozialistischen Symbolen oder beim Zeigen des "Hitlergrußes" die Strafbarkeit an und hört die Freiheit der Kunst auf?

Die Versuchung für uns selbst an und sogar über die Grenzen der Kunstfreiheitzu gehen, ist zwar für uns selbst nur sehr gering- dennoch ist das Thema im Zusammenhang für unser Werk von grundsätzlichem Interesse- auch soll man ja niemals "Nie" sagen.

Zu diesem Thema zitieren wir aus einem Beitrag von Hans-Joachim Müller: Die Kunst darf alles, hieß es einmal, WELT AM SONNTAG, NR.14, 6.APRIL 2014.

" Die gesetzlich garantierte Kunstfreiheit gehört zu den hehrsten Rechtsgütern. Nicht zuletzt die "Entartungs"- Kampagnen und Raubzüge der Nazi-Faschisten in deutschen Museen haben die Schutzbedürftigkeit der Kunst zum vornehmen Anliegen des Gesetzgebers gemacht. Um sie vor herrschenden Stimmungen, wechselnden Geschmackskonjunkturen, vor populistischen Urteilen von Mehrheiten oder Minderheiten zu bewahren, ist der Kunst eine rechtsprecherische Enklave abgesteckt worden, in der sie Dinge treiben und Dinge behaupten darf, die Nicht-Kunst außerhalb nicht so ohne Weiteres zugestanden werden. Zum Beispiel darf einer wie Jonathan Meese im Performance-Rausch den Arm zum "Führer"- Gruß recken, was im Nicht-Kunst-Fall als strafbarer Umgang mit verbotenen Symbolen geahndet würde.

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Dass die Kunst immer recht hat, dass es sie auch in der rigidesten Form geben muss, weil es eben draußen vor den Gesetzen, Normen, Sitten, Konventionen, vor all den Maxima und Minima Moralia so etwas wie einen Sperrbezirk der unantastbaren Freiheit geben muss, das könnte inzwischen als gesellschaftliche Grundvereinbarung zum Problem geworden sein.

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Die schreckliche, die unbestreitbare, die schützenswerte Radikalität gehört zu den allerletzten Mythen. Überkommen als Erbe jener Moderne, die alles, was an der Kunst einmal heilig. numinos war, überführt hat in einen säkularen Schonraum. Aus der alten Erfahrung, dass man der Kunst nicht zu nahe kommen darf, weil sie mit den Göttern im Bunde steht, hat die Moderne ihre eigene Unnahbarkeit geschaffen. Und als unnahbare braucht sie sich und vor niemanden zu rechtfertigen. Avantgardismus hieß im Kern, die verwegendsten, wildesten, verbotensten Dinge zu behaupten, zu beanspruchen, zu bebildern. Ws ist sehr gut möglich, dass der Kunst das alles nicht mehr zugestanden wird, dass sie erst jetzt in ihre wirklich postmoderne Phase tritt.

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Wie die Politik hat auch die Rechtsprechung ihr gesellschaftliches Klima. Und die Kunst ist mit betroffen von den großflächigen Klimaveränderungen. Umso mehr wird sie gefordert. Nur an der Kunst lässt sich lernen, wie man beide auseinanderhalten kann, die Wirklichkeit des Bildes und das Abbild der Wirklichkeit. Zum Freiflug der Fantasie und zum Nutzen der Wirklichkeit."

 

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