Das Geheimnisvolle in der Kunst

Wir befinden uns mit unseren Werken in einem gewissen Dilemma: Einerseits sind wir der Auffassung, dass die Phantasie des Betrachters angeregt wird, wenn das Werk grundsätzlich sich das "Geheimnisvolle" bewahrt hat und dem Betrachter möglichst alle Freiheiten der Interpretation offen lässt, andererseits beziehen sich unsere eigenen Werke auf einen begrenzten Themenbereich: auf den Versuch, das eigene Leben unter Beachtung der gegebenen Möglichkeiten, Fähigkeiten und äußeren Randbedingungen entsprechend möglichst "klug"- seinen eigenen Werten und Zielen entsprechend- zu gestalten.... Dabei sind wir uns natürlich bewusst, dass es sich hierbei nur um einen Versuch, letztlich also um ein Experiment, handeln kann, bei dem die Gedahr eines teilweise oder völligen Misslingens durchaus gegeben ist. Dies wird aber letztlich nur vom "Ende" aus zu beurteilen sein.

Um die Phantasie des Betrachters des Betrachters zu beflügeln, haben vielen unserer Werke noch einen Text beigefügt, um ein völlig unbegrenztes Asszoziieren zu vermeiden, das dem Werk den Charakter eines Rorschachtests verleihen würde.

Absichtliches Verrätseln der Darstellung ist eine nicht seltene von Künstlern angewendete Strategie, um dem Betrachter eine besondere gedankliche Tiefe des Werkes zu vermitteln. Letzlich verbleibt ein Zweifel bei nicht wenigen Betrachtern, ob nicht Beliebigkeit, Zufall die Regie bei der Schaffung des Werkes geführt haben.* Gerade um diesen möglichen Eindruck zu vermeiden und die Phantasie des Betrachters auf einen bestimmten Bereich zu fokussieren, haben wir den Bereich des "Geheimnisvollen " etwas eingeschränkt, um dem Betrachter damit die Möglichkeit zu geben, mit seiner Interpretation, mit seinen Assoziationen stärker in die "Tiefe"- dafür weniger in die Breite- zu gehen. Zu große Beliebigkeit einer Darstellung, einer "Vorgabe", die eher ein Gefühl der Ratlosigkeit für ihre wahrscheinliche und angemessene Bedeutung im Betrachter hervorruft, regt ihn eher zum "Herumspinnen" an- was eben nicht dazu geeignet ist, dass der Betrachter sein Interesse auf einen bestimmten Themenbereich lenkt.

Im Sinne des von uns betrachteten Themenbereiches haben wir hier ganz bewusst einen Kompromiss schließen müssen, der, dessen sind wir uns natürlich bewusst, manchem Betrachter unserer Werke und Leser der zugeordneten Texte gar nicht gefallen wird. Was aber wäre die Alternative?

Sie würde durch die folgende Aussage etwa beschreibbar sein:
" Jeder Künstler hat seine Bilder, seine visuellen Vorstellungen, aber er darf nicht darüber reden, sonst zerstört er sie. Er muss geheimnisvoll bleiben, damit es seine Anziehung ausübt."
(Arnulf Rainer, zitiert in: Hans Joachim Müller, WamS, 21. September 2014, Nr.38, Seite 51)

Wir sind der Auffassung, dass unsere Werke ihre Anziehung nicht nur durch die Eigenschaft des "Geheimnisvollen" auf den Betrachter ausüben können und sollten, sondern vielmehr dadurch, dass sie dem Betrachter die Möglichkeit eröffnen, zwischen sich selbst, seinem eigenen Leben und dem Werk eine persönlichen Beziehung, einen Zusammenhang, aufzubauen- damit hat das Werk zumindest die Chance einen "Sinn" für ihn zu bekommen. Der individuellen Interpretationsfreiheit, dem Geheimnisvollen ist dennoch noch ein äußerst großer Raum gegeben. Dies umso mehr, als sich unsere Werke interpretationsoffen direkt auf das Wesen des Menschen beziehen und eines der größten Rätsel des Menschen der Mensch selbst ist.

Eine sinnvolle Herangehensweise zu den Werken könnte- was die inhaltliche Darstellung betrifft- somit aus zwei Schritten bestehen:
- Welchen persönlichen Bezug kann ich zum Werk herstellen? Was assoziiere ich mit der Darstellung und wie interpretiere ich sie? Zu welchen Fragen regt mich das Werk bei der Betrachtung an?
- Welche Antworten kann ich mir in einem Gespäch mit anderen oder mir selbst auf meine Fragen geben? Dabei kann der Betrachter dazu angeregt werden, sich näher mit dem Thema und seiner speziellen Verbindung zum eigenen Leben auseinanderzusetzen. Einige endgültige Antwort auf die selbst entwickelten Fragen wird es sicherlich nur selten- falls überhaupt- geben, hoffentlich aber eine weiterführende Erkenntnis, die mein Leben betrifft.

Einigen Betrachtern unserer Werke wird der diesen zugeordnete Text sicherlich zu ausführlich erscheinen- vielleicht haben sie den Eindruck, dass dadurch die Interpretationsoffenheit unnötig eingeschränkt wird. Wir haben leider die Erfahrung in unserem Umfeld gemacht, dass sich sogar Personen, von denen wir es nicht vermutet hätten, sich teilweise geradezu sehr unbeholfen bei der Interpretation von Werken verhalten. Wir können es nicht beurteilen, ob dies aufgrund fehlender Übung oder aufgrund mangelnden Interesses der Fall war. Vielleicht sind auch beide Gründe zutreffend. Wir haben deshalb bezüglich unserer Anregungen einen Kompromiss im Sinne des "Prinzips der Mitte" gemacht- ohne den Betrachter gezielt in Richtung auf eine ganz bestimmte Interpretation zu drängen.

*Die Werke können natürlich dennoch auf den Betrachter einen besonderen ästhetischen Eindruck machen oder ihn zum Meditieren o.ä. anregen.

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