Irenäus Eibl-Eibesfeldt:
Zeit und Mensch, Seite 89, Herausgeber E.Pöppel und M.Kerner, Thouet Verlag, 1996, ISBN 3-930594-17-X

"Kunst und Wissenschaft sind nicht allein dadurch verbunden, dass eine die andere gelegentlich zum Gegenstand ihrer Betrachtung macht. Beide sind mitteilsam: Künstler wie Wissenschaftler wenden sich mit Anliegen an Mitmenschen. Sie wollen Wissen, ästhetischen Genuss und Wertvorstellungen vermitteln. Künstler appellieren dabei im allgemeinen an die Sinne und damit den affektiven Bereich- die Wissenschaftler dagegen mehr an den Verstand. Es gibt aber Überlappungsbereiche. So werfen Künstler Fragen auf. Das Stellen der richtigen Fragen aber, das Bewusstmachen von Problemen ist der erste Schritt im Ringen von Erkenntnis. Die Malerei bemüht sich, durch die ästhetische Gestaltung die Aufmerksamkeit des Betrachters zu fesseln und damit das Anliegen einprägsam zu vermitteln. In Betrachtung versunken durchwandern wir ein Gemälde und lassen unsere Gedanken spielen. Sie können vom Werk geführt werden, aber auch eigene Wege gehen.

Vor einigen Jahren erwarb ich auf einer Vernissage ein Gemälde von Peter Klitsch. Es zeigt einige die See kreuzende Segelschiffe und hoch über ihnen in den blauen Lüften einen seinem Element enthobenen , den Himmel beherrschenden Fisch. Einen Fisch also, der sich in die Lüfte erhob! Für mich war er auf Anhieb ein Symbol für uns Menschen, die wir dem Meere entstammen, gewissermaßen ans Land gegangene Fische sind. Wir eroberten uns die Kontinente, dann die Lüfte, und kreuzen seit Jahrhunderten forschend, handelnd und räubernd die Meere. Dem Künstler war dieser Gedanke nicht gekommen oder nur insofern, als er mit dem Ungewöhnlichen spielte und damit die Gebundenheit an gewohnte Traditionen überwand und so Raum für persönliche Interpretation schuf.

Ich bin der Ansicht, dass es dieser Freiraum für unsere Phantasie ist, der ganz entscheidend zum Wert eines Kunstwerkes beiträgt. Es gibt natürlich auch großartige Kunstwerke, die ein Anliegen geradezu plakativ vortragen und damit unserer Phantasie wenig Spielraum lassen. Sie wollen überzeugen, als wären sie im Besitz der Wahrheit und engen damit die Möglichkeit des Betrachters ein, dem Anliegen nachzuspüren und eigene Fragen aufzuwerfen."

Anmerkung: Warum sollte das, was für die Malerei gilt, nicht auch für Reliefs gelten können? Oder ist die oben geäußerte Ansicht nach Ihrer Auffassung nicht zutreffend?

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