Zitat aus

Gert Scobel: Weisheit- Über das, was uns fehlt, Dumont, 2008, ISBN 978-3-8321-8016-4

Seite 439, 440:

" Weisheit ist in unserer Lebenswelt die Verwirklichung dessen, was die Wissenschaft in ihrer neutralen Sprache einen optimalen Umgang mit der Komplexität der Welt nennen würde. Dass wir Menschen im Umgang mit der Komplexität der Welt nicht besonders gut sind, zeigten eine Vielzahl von Untersuchungen. Umso wichtiger ist es, sich damit offensiv zu befassen.
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Weisheit mag etwas sein, was uns gegenwärtig besonders fehlt. Aber sie ist erlernbar. Eine Weisheit, die uns im Alter automatisch zufällt, gibt es nicht- es sei denn, wir haben Weisheit vorher kultiviert und in gewisser Weise auch trainiert.
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Gut oder böse, rechts oder links, richtig oder falsch, Liebe oder Hass, Ja oder Nein, schön oder hässlich, gerecht oder ungerecht: Wir denken in diesen Polaritäten. Sie bestimmen unser Denken, unsere Wahrnehmung und prägen unser Handeln.
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Tatsächlich spielt sich das alltägliche Leben jedoch >zwischen den Polen< ab.
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Dem Dazwischen auf die Spur kommen ist ähnlich diffizil wie das Ich zu verstehen. Weisheit ist die Kunst, die Mitte zu finden. Es geht dabei nicht um angepasste Mittelmäßgkeit, nicht darum, es jedem recht zu machen, sondern um Gespür für Unterschiede, Einheit und das rechte Maß. Pathetisch gesagt: Es geht geht um den "Sinn des Lebens". Die Frage danach ist für niemanden eine Luxusangelegenheit, selbst wenn es so scheint. Mit ihr steht etwas Fundamentales auf dem Spiel: Wie wir mit unserer Endlichkeit, mit der festen Aussicht auf den Tod umgehen."

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