" (Es) unterscheidet Kant klugerweise zwischen Sinnengeschmack und Reflexionsgeschmack, zwischen dem Privatsinn und dem Allgemeinsinn. Er meint, dass sich ein jeder der Relativität seiner eigenen Empfindungen bewusst sein muss, vor allem dann, wenn es nur um wohlige Gefühle des Angenehmen geht. Doch niemals hätte er gesagt, die Welt sei deshalb zum völligen Relativismus verdammt. Er beharrt darauf, dass sich jeder mündige Betrachter ein eigenes Urteil zutraut und dieses auch formuliert- nicht, um den anderen dieses Urteil aufzuzwingen, er "sinnet nur jedermann diese Einstimmung an". Dieses Ansinnen bedeutet: Der Einzelne soll seine Empfindungen offen bekunden, ebenso soll er aber die Empfindungen der anderen zur Kenntnis nehmen. Man könnte das als eine Form des Lernens bezeichnen- es lässt sich etwas über das eigene Selbst begreifen und darüber, wie sich dieses Selbst zum Selbst der Allgemeinheit verhält."

Hanno Rauterberg: Und das ist Kunst? Eine Qualitätsprüfung, Seite 195, S.Fischer Verlag, 2007, ISBN 978.3-10-062810-7

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