ZUR WIRKUNG VON KUNST

Der Vollständigkeit halber weisen wir darauf hin, dass Kunstwerke auch "nützliche" Wirkungen innerhalb von Organisationen aufweisen. Dies wurde in der Dissertation von Claudia Schnugg an der Johannes Kepler Universität Linz, Institut für Organisation, an Hand von 70 Fallbeispiele festgestellt.

Im Kapitel "Wirkungen" werden nach der Häufigkeit der Nennungen aufgeführt:

Anzahl Wirkung bei Unternehmen und MitarbeiterInnen
19 Unternehmenskommunikation wird verbessert
10 Diskussionskultur und kreativer Dialog wird angeregt
9 Imageaufbau des Unternehmens
9 Selbstreflexion wird gefördert
9 Routinen werden hinterfragt
9 Corporate Identity wird nach innen und außen kommuniziert
8 Beiträge zur Organisationskulturentwicklung
8 Persönlichkeitsentwicklung wird gefördert
8 Wahrnehmung wird geschärft und reflektiert
7 Atmosphäre der Offenheit und Kreativität wird gestaltet

Einige dieser Wirkungen sind ebenfalls für den individuellen Betrachter, auch in Zusammenhang mit Diskussionspartnern von Bedeutung: Diskussionskultur und kreativer Dialog werden angeregt, Selbstreflexion werden gefördert, Routinen werden hinterfragt (Wieso mache ich das gerade auf diese Weise ? Wieso verhalte ich mich in bestimmten Situationen immer wieder nach einem festgelegten Schema- auch wenn es in der Vergangenheit gar nicht gute Resultate gebracht hat?), Persönlichkeitsentwicklung wird gefördert und reflektiert, Atmosphäre der Offenheit und Kreativität wird gestaltet.

Von Interesse wäre es sicherlich, zu erfahren, welche Art von Kunstwerken bestimmte Wirkungen aufweisen. Eine Präsentation von Portraits und abstrakter, großflächiger, "bunter" Kunst hat sicherlich andere Wirkungen auf den Betrachter und ein Team als etwa Naturbilder, Stilleben, surrealistische oder realistische Bilder.

 

Wie wird das besondere Interesse des Betrachters- zumindest kurzfristig- erweckt? Was der Grund für sein Interesse ist, mag der Leser beurteilen:

Wir beziehen uns auf einen Artikel von Hanno Rauterberg in DIE ZEIT vom 19.4.2012, Nr.17 der eine Untersuchung von Martin Tröndle zusammenfasst.

"Wirkung von Kunst: Und die Herzen schlagen höher

Was geht in uns vor, wenn wir Kunst sehen? Eine neue Studie könnte die Museumswelt schwer erschüttern.

.... Elf Sekunden, drei Atemzüge lang, verbringt der durchschnittliche Betrachter vor einem durchschnittlichen Kunstwerk. Das hat Tröndle in einer aufwendigen Studie herausgefunden, die der ZEIT vorliegt und die gerade in mehreren Fachjournalen publiziert wird. Rund 500 Museumsbesucher hat der Kulturwissenschaftler von der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen durchleuchtet. Er wollte wissen, wie sie auf Monet reagieren, wie auf Hodler, Warhol oder ein Nagelbild von Günther Uecker. Er möchte verstehen, wie sie eigentlich funktioniert, die vertrackte Beziehung zwischen Kunst und Mensch. Wie sehen wir Bilder? Was lösen sie in uns aus?
...
Es ist eine eher kleine Studie, und doch könnte sie die Kunstwelt verändern. Wenn Tröndle mit seinen Befunden recht hat – und alles spricht dafür –, dann müssten die Museen kleiner, ruhiger und leerer werden. Schluss wäre mit dem Blockbuster-Gedrängel, mit dem ewigen Biennale- und Documenta-Trubel! Die Zukunft gehörte der Kontemplation.

... Rund 70 Werke aus den letzten 150 Jahren gab es dort zu sehen, eine bunte Mischung von bekannten und weniger bekannten Künstlern. Hier wollte Tröndle erproben, wie die Menschen auf alte und junge, große und kleine, wichtige und unwichtige Bilder und Skulpturen reagieren. Und er befragte die Besucher nicht nur, er bot ihnen auch einen Datenhandschuh an, der die Herzfrequenz und die Hautleitfähigkeit misst und genau aufzeichnet, wer sich wie in der Ausstellung bewegt und vor welchen Werken stehen bleibt. Die Datenmengen, die so zusammenkamen, waren derart gewaltig, dass Tröndle und sein Team aus Psychologen, Soziologen und Programmierern (unterstützt vom Schweizer Nationalfonds) mehr als zwei Jahre für die Auswertung brauchten. Von den Ergebnissen sind sie selbst überrascht. Viele feste Gewissheiten werden löchrig.
...
Zwar konnten sich viele Betrachter für eine klassische Venedig-Szene von Monet durchaus begeistern und bewerteten das Bild bei der Befragung als ästhetisch hochwertig. Doch Herz und Haut signalisierten eher gepflegte Langeweile. Wirklich erregt waren die Besucher hingegen von Günther Ueckers Antibild, aus dem lauter spitze Nägel ragen. Ob Jung oder Alt, ob Mann oder Frau – alle zeigten hohe Pegelwerten.

Sie umschlichen das Werk in weitem Bogen, wie man aus den farbigen Punkten und Linien auf Tröndles Diagramm herauslesen kann. Sie sehen sich das piksige Ding lieber vom Rand aus an – als fühlten sie sich davon angezogen und zugleich abgestoßen. Von allen Werken der Ausstellung wurde der Uecker am intensivsten wahrgenommen: durchschnittlich 34,5 Sekunden lang. Und selbst jene, die noch nie von diesem Künstler gehört hatten und sich auch sonst mit Zero- oder Konzeptkunst nicht weiter auskennen, konnten dem Bild nicht entgehen."

Leider wird für uns nicht ersichtlich, wie Günther Ueckers Werk mit der Kontemplation zusammenhängt, wo doch die Zukunft der Kontemplation gehört. Wir selbst haben hier den Eindruck, dass hier der Reiz des Neuen, des formal Ungewohnten der entscheidende Grund für das große Interesse des Museumpublikums war. Vielleich hat der Leser noch eine andere Begründung?

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