Auf den Inhalt kommt es an
Jens Rowold: Auf den Inhalt kommt es an, Herausgeber Walter
Schurian, LIT- Verlag, 2001, ISBN 3-8258-5636-4
Seiten 39, 40:
Rogers (1967) beschrieb als Persönlichkeitspsychologe
das Selbst als synonym mit Selbstkonzept. Das Selbstkonzept besteht aus verschiedenen
Charakteristiken, mit denen sich eine Person selbst beschreibt. Rogers (1967)
unterschied hauptsächlich zwischen dem aktuellen Selbst ("Wie bin
ich in diesem Augenblick tatsächlich?") und dem idealen Selbst ("Wie
möchte ich jetzt gerne sein?).
...
Die Entwicklungspschologie geht davon aus, dass das Selbstkonzept wichtig für
den Prozess der Bewusstwerden des Menschen ist. Durch Selbstkonzepte definiert
man sich selbst, seine eigenen , individuellen Besonderheiten, den Platz im
System sozialer und gesellschaftlicher Zusammenhänge.
...
(Es) beziehen sich Selbstkonzepte auch auf Entwicklungsziele der eigenen Persönlichkeit.
Auf der selbstreflexiven und der evolutivsymbolischen Ebene findet ein Prozess
statt, der bei der Entwicklung und Bewertung von Selbstkonzepten hilft. ...
Kunst (kann) diese Formulierung von Selbstkonzepten unterstützen
(...). um letztlich zu einer tieferen Selbsterkenntnis zu führen. In der
Kunst finden sich Inhalte (Geschichten, Mythen, etc.) wieder, die bei der Reflexion
behilflich sein können. Sie ordnen für den Betrachter das innerpsychische
Geschehen neu, sie sind als Spiegel zu verstehen. Der Betrachter vergleicht
die eigene Lebensgeschichte, die eigenen Erfahrungen mit den Inhalten des Bildes."
(Hier gilt im vorliegenden Zusammenhang: "des
Reliefs").
...
Rowold vertritt die folgende These: "Kunst
löst nicht nur emotionale, kognitive, motivationale Veränderungen
in der Wahrnehmung hervor, sondern sie hat mit der persönlichen Lebensgeschichte
des Betrachters und seiner aktuellen Lage zu tun. Kunst stellt nicht nur einen
optischen (schönen) Reiz dar, sondern hat mit den innersten grundlegenden
Strukturen (Selbst) des Menschen zu tun. Sie wird vom Betrachter als "selbstkongruent"
wahrgenommen, wenn die eigene Lage und die eigene Geschichte im Bild wiedererkannt
wird. Im Prozess der Reflexion ... ist es möglich, dass durch die intensive
Beschäftigung mit einem Bild neue Aspekte des eigenen Selbst erkannt werden."
Wir geben an dieser Stelle unumwunden zu, dass wir in weiten
Bereichen der Kunst tatsächlich die Erkennung von neuen Aspekten des eigenen
Selbst wenn überhaupt, dann nur sehr rudimentär ermöglicht sehen.
Vielleicht ist aber dies gerade auch ein Grund, neben der Kommerzialisierung
der Kunst, dem überbordenden Wunsch nach dem "Neuen"- unabhängig
von einem "Gehalt"- dem unverbindlichen Spiel mit den Farben, mit
dem im Wesentlichen nur die Gefühle angesprochen werden- das bei uns ein
tiefes Unbehagen provoziert, wenn wir verschiedene Bereiche der Bildenden Kunst
betrachten.
...
Seite 101:
"2.Auf den Inhalt kommt es an
Die Ergebnisse zeigen, dass für figurative Kunst
der Inhalt der wichtigste Wirkaspekt ist. ... Der Inhalt wird vom Betrachter
erkannt und verstanden. Da figurative Kunst signifikant mehr Selbstkongruenz
auslöst als abstrakte Kunst, und gleichzeitig am stärksten über
den Inhalt wirkt, lässt sich vermuten, dass der Inhalt Ansatzpunkte für
eine Identifikation des Betrachters mit dem Bild darstellt. Die Geschichte,
Personen und Mythen, etc., die wir im figurativen Bild erkennen, mach für
uns das Kunstwerk persönlich zugänglich, weil wir an unsere Erlebnisse
und Geschichten erinnert werden.
Bei abstrakter Kunst stehen die Farbe und die Maltechnik als Wirkkritereien
im Vordergrund. Dennoch wird auch im (unsere Anmerkung: "abstrakten")
Bild von ... ein"Rest-Inhalt" erkannt. 8,3% der Betrachter geben an,
im Bild einen Inhalt zu erkennen."
Seite 9:
"Kunst weist neben den oft untersuchten
formalen Wirkaspekten Farbe und Form zusätzlich einen Inhalt auf, der vom
Betrachter als wichtigstes Wirkkriterium angegeben wird.
(Es) ist- auf seiten des Betrachters- die Dimension "Selbst"
bzw. "Selbstkongruenz" die wichtigste der fünf psychologischen
Dimensionen der ästhetischen Wahrnehmung. Anders gesagt ist persönliche
Bezug, den der Betrachter zum Bild hat, offensichtlich der entscheidende Schlüssel
zum Verständnis der Kunstbetrachtung."
...