Die in einer Arbeit von Jens Rowold* werden verschiedene Ansätze zum Herstellen von "Selbstkongruenz" durch den Betrachter vorgestellt. Diese Ansätze werden wir hier nur verkürzt zitiert. Im übrigen verweisen wir hier ausdrücklich auf die Originalliteratur.
"6.5.2 Sich selbst und die eigene Lage durch Herstellen von Selbstkongruenz wiedererkennen
Weltzl-Fairchild (1991)
In der "Phase des Erinnerns" werden vom Kunstbetrachter Verbindungen
zwischen dem Bild und seinen Inhalten und der persönlichen Lebensgeschichte
gesucht. ... Je mehr der Betrachter sich und seine persönliche Lebensgeschichte
im Bild zu erkennen vermag, desto mehr Assoziationen werden auftreten, und um
so mehr ist die Möglichkeit gegeben, dass in den "Phasen der Beschreibung
und Strukturierung" Zusammenhänge neu gesehen werden. Dies ist durch
den sogenannten "self-reference effect" zu erklären (Winterhoff-Spurk,1989,
S.107). Dieser Effekt besagt, dass Informationen mit Bezug auf das Selbst (selbstkongruente
Informationen) besser wahrgenommen und behalten werden als solche, die wenig
oder gar nichts mit dem Selbst zu tun haben. Erkennt der Betrachter seine eigene
aktuelle Lage, seine persönliche Geschichte und seine Identität (Mittag,
1992,S.25) im Kunstwerk , so ist zu erwarten, dass sowohl mehr Reaktionen im
Betrachter ausgelöst werden und dass die Wahrscheinlichkeit für Veränderungen
steigt. Die Beschäftigung mit dem Kunstwerk wird als lohnender wahrgenommen
und zeitlich ausgedehnt. ...
Schurian (1986)
... "Um die inneren Vorstellungen und auch persönlichen Werte anzusprechen,
sind Bezüge im Kunstwerk nötig, auf die der Betrachter eingehen kann.
Auch auf der selbstreflexiven Ebene ist dies der Fall. "Die ästhetischen
Wahrnehmungen auf der selbstreflexiven Ebene sind daher auch selbstbezogen und
beinhalten die Geschichte der eigenen Entwicklung." (Schurian, 1986). Dies
bedeutet, dass ein Kunstwerk den Betrachter in seinen persönlichen Erfahrungen,
Meinungen und Werten um so mehr ansprechen kann, wenn im Inhalt des Kunstwerks
selbstkongruente Bezüge- z.B. durch Mythen, Geschichten, Charaktere- vorhanden
sind.
Kreitler& Kreitler (1980)
"Die Überbrückung der Kluft zwischen dem Betrachter und den Kunstfiguren
ereignet sich in der Hauptsache durch die Projektion der Bedürfnisse und
Wünsche des Betrachters auf die dargestellten Charaktere und durch die
Identifikationen mit ihnen. Es ist anzunehmen, dass es sich bei den im Kunstzusammenhang
am häufigsten Projektionstypen um die Wahrnehmung von Gefühlen und
Charakteristiken bei anderen handelt, die man in sich selbst wahrnimmt, so als
wenn ein Mensch, der hasst, empfindet, dass andere ihn hassen." (Kreitler&
Kreitler, 1980, S.273) Durch den Vorgang der Projektion werden also Bewusstseinsinhalte
in das Kunstwerk hineingelegt. Die Bewusstmachung dieser Inhalte kann zur Erfahrung
des Selbst beitragen.
....
Obwohl die Ereignisse und Situationen sich in unserem Leben ändern, bleibt in uns ein Kern präsent, der von äußeren Gegebenheiten relativ unberührt ist. Diese persönliche Kontinuität und ein Sinn für die Selbstidentität wird in der Kunst deswegen zum Inhalt gemacht, weil eine starke Wirkung von diesen "psychologischen Urbildern- und Charakteren" ausgeht. Im Sinne des griechischen und ägyptischen "Erkenne Dich selbst" stellt die Kunst eines der ansprechendsten Medien dar, um mittels Geschichten, Personen und Urbildern dem Selbst des Menschen einen Spiegel- und damit einer Erinnerungsstütze- anzubieten.
Neue Aspekte des Selbst entdecken
Weltzl-Fairchild (1991)...
Das Kunstwerk unterscheidet sich von der alltäglichen Umwelt, und bietet somit dem Selbst mehr Kontrast und Hintergrund, um sich von der alltäglichen Umwelt, und bietet somit dem Selbst mehr Kontrast und Hintergrund, um sich zu erfahren. Durch die ständige, gewohnte Sicht der Dinge hat das Selbst wenige Möglichkeiten, sich selbst zu erfahren. Mittels Kunstbetrachtung verliert sich das Selbst für kurze Zeit im Kunstwerk und findet sich dann, bereichert durch Erfahrung, in seiner alten Lage wieder. Durch Reflexion über die gemachten Erfahrungen ist es möglich, dass dem Betrachter bestimmte Arbeitsweisen des Selbst, z.B. Schwerpunkte in der ästhetischen Wahrnehmung, bewusst werden ("Phase der Selbstenthüllung"). Da Kunstwerke immer neue Optionen bieten, sich selbst zu erfahren, besteht die Möglichkeit, dass durch neue Kunstwerke auch neue Aspekte des Selbst erfahren werden. "
* Jens Rowold: Auf den Inhalt kommt es an, Herausgeber Walter Schurian, LIT- Verlag, 2001, ISBN 3-8258-5636-4
Originalliteratur, entnommen aus vorstehender Literaturquelle (Jens Rowold: Auf den Inhalt kommt es an) , aus der von uns zitiert wird:
Weltzl-Fairchild, A. (1991). Describing aesthetic experience: creating a a model. Canadian Journal of Education, 16 (3), 267-280
Schurian, W. (1986).Psychologie ästhetischer
Wahrnehmungen. Selbstorganisation und Vielschichtigkeit von Empfindungen, Verhalten
und Verlangen. Opladen: Westdeutscher Verlag
Kreitler,H & Kreitler,S. (1980). Psychologie der Kunst. Stuttgart: Kohlhammer
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