Der Begriff "Interpretationsoffenheit", so wie wir ihn verwenden, bedarf noch einer näheren Festlegung. Interpretationsoffenheit ist begrifflich zunächst ein weites Feld: Wir verstehen darunter ein Angebot des Werkes an den Betrachter, konkret anlassbegründete, nichttriviale, aber auch nicht hanebüchen an den Haaren herbeigezogene Deutungen eines Werkes zu entwickeln. Das Werk ist zwar mehrdeutig, uneindeutig, nicht jedoch beliebig deutbar, aber auch nicht offensichtlich verrätselt- um ein besonders tiefsinniges Werk vorzutäuschen und enthält keinen zu großen Anteil von zufällig erzeugten Elementen. Aufbauend auf diesen Eigenschaften sollten unseres Erachtens allgemein nachvollziehbare Interpretationen ermöglicht sein, gegebenfalls auch unter Hinzuziehung von zusätzlichen Informationen oder Hinweisen- nachvollziehbar jedoch nicht nur von "Kunstexperten" und "Kunstwissenschaftlern": Kunstwerke werden schließlich nicht für die ausgewiesenen Kunstexperten gemacht.

Eine allgemein gültige Definition des Begriffes "Interpretationsoffenheit"- die diesen Namen auch wirklich verdient- von Kunstwerken zu liefern, erscheint uns unmöglich zu sein, da die Grenzen der Anwendbarkeit dieses Begriffes fließend sind und hier verschiedene Betrachter sicherlich unterschiedlicher Meinung sein können. Ein Ausweg bleibt dann immer noch: Chaotische, vom Zufall geprägte, absurde Darstellungen kann man natürlich immer noch als das Unbewußte, das Gefühlsleben des Künstlers oder schlicht als Zustand einer im Grunde ziemlich irrationalen Gesellschaft interpretieren, so wie sie der Künstler nun einmal sieht oder wie sie höchstwahrscheinlich auch tatsächlich ist!?

Welches Maß und welche Art von Interpretationsoffenheit eines Werkes den Betrachter zufrieden stellt, befriedigt oder gar glücklich macht, ist vom Betrachter- von seiner individuellen "Belastbarkeit"- abhängig. Dazu zitieren wir Herbert Laszlo:

"Ein Kunstwerk ist eine verschlüsselte Botschaft, deren Entschlüsselung bestimmte Menschen optimal belastet.
Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass Kunst für jeden Menschen und zu jeder Zeit etwas anderes ist. Es gibt nicht DIE einheitliche "Kunst", die allen gefällt.
... Die Botschaft, die in Kunstwerk aussendet, belastet Sie nur dann optimal, wenn sie für Ihr persönliches Wissen und Empfinden weder zu schwierig, noch zu banal ist. Jedes Kunstwerk ist für bestimmte Menschen "zu hoch", für bestimmte Menschen "zu primitiv" und für eine dritte Gruppe eben das, als was es gedacht ist: Kunst, die Glücksgefühle auslöst. Kein Kunstwerk wirkt zu jeder Zeit gleich. "

Herbert Laszlo, Gründer des IFEG (Institut für experimentelle Glücksforschung): Das große Buch vom Glücklichsein, Seite 98, Verlag 55 plus Buchverlagsgesellschaft Wien: http://www.verlag55plus.com, 1. Auflage 2005, ISBN-3-902441-22-4)

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