Wieland Schmied in Zusammenarbeit mit Jürgen Schilling: GegenwartEwigkeit, Spuren des Transzendenten in der Kunst unserer Zeit, Seite 25, Edition Cantz, 1990, ISBN 3-89322-179-4
"Die moderne Kunst spricht von der Existenz des Menschen und seinen Versuchen,
Gott und die Welt zu deuten, im Kern nicht anders, als es die Kunst früherer
Jahrhunderte getan hat. Sie tut es aber nicht mehr auf der Grundlage und im
Rahmen eines allen gemeinsamen Glaubens, sondern jeder Künstler sucht-
um gerade angesichts dieses fehlenden verbindenden Glaubens subjektiv glaubwürdig
zu bleiben- seinen eigenen Weg, seine individuelle Lösung zu finden. Und
das bedeutet weiter: Wenn die moderne Kunst nach wie vor die alten Menschheitsfragen
stellt, so muss sie das jetzt verschlüsselt tun. Denn wie alle Phänomene
der menschlichen Existenz ist auch sie geschichtlich bedingt. Der durch ihren
geschichtlichen Charakter ständig gewachsenen Komplexität der Fragestellung
entspricht die gewachsene Komplexität der Formen. Das macht
Werke der zeitgenössischen Kunst vor allem für den flüchtigen
Betrachter so schwer zu entziffern. Aber sie kann es ihm, ohne ihren Wahrheitsanspruch
aufzugeben, nicht leichter machen. Nur die der komplexen Aussage adäquate
komplexe Form macht diese erst relevant. Ohne die Form käme sie gar nicht
zum Leben. "