DAS ENDE: WER ? (I, II, III)

DIESE PLAKETTE WURDE INNERHALB DES MEDAILLENPROJEKTES 2012 DES MEDALLIC SCULPTURE STUDIO SOFIA (MSSS), BULGARIEN, ENTWORFEN- EIN PROJEKT VON PROF. B. NIKOLOV FÜR STUDIERENDE, LEHRENDE UND GASTKÜNSTLER (www.artmedal.net)

UM EINEN STÄRKEREN PERSÖNLICHEN BEZUG ZUM BETRACHTER ZU SCHAFFEN, KÖNNTE SICH DIESER ZUNÄCHST DEN TITEL DER PLAKETTE (DER VOM MSSS VORGEGEBEN WAR) INDIVIDUELL ERGÄNZEN. DIES KÖNNTE ZUM BEISPIEL SO GESCHEHEN: DAS ENDE- WER WIRD DER NÄCHSTE SEIN ? (WER IST ALS NÄCHSTER DRAN?) DIE ANTWORT DARAUF KÖNNTE SEIN : "DU!". IM ENGLISCHEN, IN DEM DER TITEL DER PLAKETTE URSPRÜNGLICH FORMULIERT WURDE, KÖNNTE MAN EINEN NOCH BESSEREN BEZUG SICH DENKEN: WHO? YOU!

Diese Plakette haben wir dem griechischen Philosophen Epikur gewidmet :
"Gewöhne dich an den Gedanken, daß der Tod uns nichts angeht. Denn alles Gute und Schlimme beruht auf der Wahrnehmung. Der Tod aber ist der Verlust der Wahrnehmung. Darum macht die rechte Einsicht, daß der Tod uns nichts angeht, die Sterblichkeit des Lebens genußreich, indem sie uns nicht eine unbegrenzte Zeit dazugibt, sondern die Sehnsucht nach der Unsterblichkeit wegnimmt. Denn im Leben gibt es für den nichts Schreckliches, der in echter Weise begriffen hat, daß es im Nichtleben nichts Schreckliches gibt. Darum ist jener einfältig, der sagt, er fürchte den Tod nicht, weil er schmerzen wird, wenn er da ist, sondern weil er jetzt schmerzt, wenn man ihn erwartet. Denn was uns nicht belästigt, wenn es wirklich da ist, kann nur einen nichtigen Schmerz bereiten, wenn man es bloß erwartet.

Das schauerlichste Übel also, der Tod, geht uns nichts an; denn solange wir existieren, ist der Tod nicht da, und wenn der Tod da ist, existieren wir nicht mehr. Er geht also weder die Lebenden an noch die Toten; denn die einen geht er nicht an, und die anderen existieren nicht mehr. Die Menge freilich flieht bald den Tod als das ärgste der Übel, bald sucht sie ihn als Erholung von den Übeln im Leben. Der Weise dagegen lehnt weder das Leben ab noch fürchtet er das Nichtleben. Denn weder belästigt ihn das Leben, noch meint er, das Nichtleben sei ein Übel. Wie er bei der Speise nicht einfach die größte Menge vorzieht, sondern das Wohlschmeckendste, so wird er auch nicht eine möglichst lange, sondern eine möglichst angenehme Zeit zu genießen trachten."


Eine andere, gleichermaßen "rebellische" und "tröstliche", Haltung zum Tode nimmt Montaigne ein. Auch Bertrand Russell hat eine überdenkenswerte Haltung zum Tod eingenommen.

Der Betrachter ist möglicherweise der Meinung, dass der Tod hier zu altmodisch, nicht modern genug dargestellt worden ist. Auch der Tod geht natürlich mit der Zeit und passt sich der Technik und dem Fortschritt an- er fährt mit dem Auto, fliegt mit dem Flugzeug ,... er hat sich sogar schon das Handy zunutze gemacht (Sprengstoff-Handy, Telefonieren während des Autofahrens), von verschiedenen modernen, besonders innovativen und nicht hinreichend ausgetesteten Medikamenten ganz zu schweigen. Er widmet sich mit Hilfe von Wissenschaftlern auch dem Thema der Wirtschaftlichkeit: Wie befördert man im Krieg möglichst kostengünstig einen Menschen aus dem Leben?

Die Angst vor dem Tod als Urangst des Menschen wird jedoch selbst vom Fortschritt nur wenig tangiert- wir haben uns deshalb ganz bewusst für eine archetypische Darstellung des Todes entschieden.

Dass die Vorgabe eines möglichen "Interpretationsrahmens", eines Bereiches, durchaus "sinnvoll" für den Betrachter ist, haben wir bei der allgemeinen Betrachtung der Interpretation von Werken bereits festgestellt (Beilage "Karriere" der Zeitschrift "DIE WELT" vom 24. Oktober 2009):

"Wie Kreativität entsteht

....Als vierter Irrtum muss gelten: Kreativität bedeutet freies Herumspinnen. Nach dem Motto: "Lassen Sie uns ganz frei nach neuen Ideen suchen." Diese Aufforderung führt meist in eine Kreativblockade. Denn kreativ sein bedeutet, Wissen neu zu netzen. Hierfür muss unser Kopf zielgerichtet nach relevanten Puzzle-Teilen suchen. Ist die Aufgabe zu allgemein formuliert, fällt unserem Kopf das Suchen schwer."

"Einschränkungen fokussieren Probleme. Sie setzen Hürden, die es zu nehmen gilt und liefern so Inspirationen", schrieb Marissa Mayer, Entwicklungschefin von Google in einem Artikel."
(von Uwe Jens Meyer: Das Edison-Prinzip- der genial einfache Weg zu erfolgreichen Ideen, Frankfurt, Campus-Verlag, 2008)

Wir geben deshalb hier als Beispiel vier mögliche Interpretationsbereiche an, der Betrachter kann sicherlich noch andere finden:

1. Der TOD, der aufgrund von Krankheitsbeschwerden des von ihm "Besuchten" seinen Schrecken verloren hat: Es wird die Auffassung dessen dargestellt, den der Tod abholen will: "Falls Du glaubst, dass du mich noch erschrecken kannst, dann hast du dich getäuscht!"

2. Ein "nachdenklicherer" Interpretationsbereich, der direkt mit der "Philosophie der Lebenskunst" (nach der Auffassung einiger "moderner Philosophen": "Lebenskunstlehre") zusammenhängt: Wie könnte, wie sollte ich mein Leben führen, welcher Einstellung zum Tod sollte ich mich annähern, damit ich mich vom Tod nicht völlig einschüchtern lasse, sondern ... ? Wir haben bereits auf einige philosophische Ansätze in dieser Richtung verwiesen. Eine Anregung vielleicht für den Betrachter, über sein Verhältnis zum eigenen Tod nachzudenken- und damit über den Wert des Lebens?

Was könnte man unter "Lebenssattheit" verstehen- wie sie vielleicht erreichen? Wie vielleicht erreichen, dass man dankbar dafür ist, ein bestimmtes Alter erreicht zu haben, welches vielen nicht vergönnt ist- und glücklich darüber sein, dass sogar der Tod über die gelebte Zeit keine Macht hat.

Eine versöhnliche, ja sogar freundliche Haltung zum Tod- voller "Lebenssattheit"- kommt in einer Todesanzeige zum Ausdruck, die wir im November 2012 gelesen haben:
"Der Tod kann auch freundlich kommen zu Menschen,
die alt sind, deren Hand nicht mehr festhalten will,
deren Augen müde werden, deren Stimme nur sagt:
Es ist genug. Das Leben war schön."

3. Im weiteren Sinne zum Thema "TOD": Kann die Sorge um den Tod und die Furcht vor ihm dadurch gemindert werden, dass wir bedenken: "Lebe so, wie, wenn du stirbst, wünschen wirst, gelebt zu haben" (sinngemäß zuerst bei Marc Aurel)?

4. Die Darstellung zum Thema "Tod" kann auch durchaus "religiös" gedeutet werden- 1. Brief des Paulus an die Korinther (15,55):
"Tod, wo ist den Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?"

5. Eine weitere mögliche Assoziation des Betrachters: "Hau ab, ich bin noch nicht dran! Ich bin Privatpatient! Der Arzt bekommt von mir immerhin das 2,7 fache des Normalsatzes, den die Gesetzlichen Krankenkassen ihm zahlen!".... Na ja, das ist eine für manche Betrachter zwar eine provokative, jedoch naheliegende Assoziation. Möglicherweise vielleicht etwas zu polemisch?


Zum Thema "TOD" stellen wir noch eine etwas andere Blickweise auf ihn dar- ausgedrückt in einem Gedicht von Robert Gernhardt (+2008):

...

"Mein Körper ist voll Unvernunft,
ist gierig, faul und geil.
Tagtäglich geht er mehr kaputt,
ich mach ihn wieder heil.

Mein Körper kennt nicht Maß noch Dank,
er tut mir manchmal weh.
Ich trug ihn trotzdem übern Berg
und fahr ihn an den See.

Mein Körper ist so unsozial.
Ich rede, er bleibt stumm.
Ich lebe ein Leben lang für ihn.
Er bringt mich langsam um."


"So kann die Nähe des Todes auch eine Art Befreiung sein. In seinem Schatten erhält das Leben auf einmal eine Intensität, eine Tiefe und einen Reiz, die es bis dahin nicht gehabt hat. Natürlich sind wir, wenn es so weit ist, auch verzweifelt, weil wir Abschied nehmen müssen, ähnlich wie wenn wir uns für immer von einem geliebten Menschen verabschieden müssen. Viele fürchten diese Traurigkeit. Aber wäre es nicht trauriger, wenn wir gehen müssten, ohne zuvor das Leben ausgekostet zu haben? Wäre es nicht viel schlimmer, wenn wir im Moment des Abschieds nicht Grund zur Trauer hätten ?"
David Servan-Schreiber: Das Anti Krebs Buch, Seite 40, Goldmann, 2010, ISBN 978-3-442-15558-3


"Ich möchte nicht durch meine Arbeit Unsterblichkeit erlangen. Ich will unsterblich werden, indem ich nicht sterbe. Ich möchte nicht in den Herzen meiner Landsleute weiterleben. Ich will in meinem Apartment weiterleben." (Woody Allen: WAMS, Nr.48, 29.November 2015)

Wir beschließen unsere Betrachtung noch mit einem recht bekannten Zitat, dass uns zeigt, dass Humor die Kraft hat, sogar die Tragik des Todes etwas zu relativieren:
"Das Leben ist voller Leid, Krankheit, Schmerz- und zu kurz ist es übrigens auch..." (Woody Allen)


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