Glück und Weisheit als Ziel- Philosophie der Weg
Das Denken über die grundlegenden Dinge des Lebens, wie die eigenen Wertmaßstäbe,
die Arten des möglichen individuellen Glücksempfindens, die Möglichkeiten subjektiver
Sinnerfahrung, das kritische Bedenken der Prioritäten des eigenen Handelns,
führt uns in Teilbereiche der Philosophie und zu Fragen, die sich auf den Begriff
"Lebensweisheit", allgemein "Weisheit" beziehen, auch darauf,
was man unter diesem Begriff inhaltlich verstehen kann- und ob "Weisheit"
als "Zielvorstellung" für uns überhaupt praktisch etwas taugt.
Da die oben aufgeführten Themen direkt mit vielen Darstellungen auf unseren Reliefs in Beziehung stehen, führen wir zumindest einige wenige Hinweise hierzu aus der Literatur auf, um dem Betrachter die Möglichkeit zu geben, sich leichter durch unsere Werke in seiner Phantasie und zum "Weiterdenken" anregen zu lassen. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass sich der kritische Leser mit dem Inhalt der Texte- auch gerade im Zusammenhang mit unseren Werken- nicht identifizieren kann und zu einer ganz anderen Auffassung gelangt. Aber auch dann hätten die von uns aufgeführten Zitate durchaus ihren "Zweck" erreicht.
Sehen Sie bitte die folgenden Texte nur als einführende Beispiele
an- auch als Anregung, sich noch näher mit dem oben aufgeführten Fragenbereich
durch weiterführende Literatur zu informieren.
Zitate zum Thema "Philosophie und Weisheit":
Die folgenden Zitate sind dem Buch von Andre' Comte- Sponville: Glück ist das Ziel, Philosophie der Weg, Diogenes Verlag, 2010, ISBN 978 3 257 24191 4, entnommen.
Der Untertitel des Buches "Glück ist das Ziel, ..." gibt vielleicht zu einem Missverständnis Anlass: Ob "Glück" das "letzte, das allem übergeordnete" Ziel (der Philosophie) ist? Philosophie kann wohl auch mehr für das Gelingen eines menschlichen Lebens erreichen- wie bereits der Begriff selbst aussagt:
Die Weisheit ist das Ziel, die Philosophie
ist der Weg- wie der Autor an anderer Stelle unmissverständlich ausdrückt.
Seite 9:
"Philosophieren heißt, selbst zu denken; doch dabei
erzielen wir nur vernünftige Ergebnisse, wenn wir uns zunächst auf die Gedanken
anderer stützen, vor allem der großen Philosophen der Vergangenheit.
Die Philosophie ist nicht nur ein Abenteuer, sondern auch eine Arbeit, die nicht
ohne Mühe, ohne Lektüre, ohne Werkzeuge vonstattengeht. Die ersten Schritte
sind mühsam und haben schon manchen abgeschreckt."
Dies ist letzlich auch unsere Begründung dafür, relativ ausführlich,
Zitate heranzuziehen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem übergeordneten
Thema unserer Werke stehen.
Seite 178:
"Was uns betrifft, die wir keine Weisen, sondern Lehrlinge in Sachen
Weisheit sind- dass heißt Philosophen-, so bleibt uns nur, leben, denken und
zu lieben lernen. Damit kommen wir nie ans Ende, und deshalb sind wir immer
genötigt zu philosophieren.
Das geht nicht ohne Anstrengung, bringt aber auch Freude. "Bei sonstigen Beschäftigungen", schreibt Epikur, "stellt sich die Frucht mühsam ein, wenn sie zum Abschluss gekommen sind; bei der Philosophie hält die Freude mit der Erkenntnis gleichen Schritt, denn der Genuss folgt nicht auf das Lernen, sondern Lernen ist zugleich Genuss. "Sei zuversichtlich: Die Wahrheit ist nicht das Ende des Weges, sie ist der Weg selbst."
Der letzte Satz allerdings führt uns jedenfalls unmittelbar
zur Frage, was denn Wahrheit überhaupt ist. Hat denn nicht jeder Mensch zu einem
nicht unbeträchtlichen Anteil seine eigene, ganz individuelle Wahrheit? (Es
gibt keine Fakten, es gibt nur Interpretationen)
Seite 14:
"Kant fasst in einem berühmten Abschnitt seiner Logik den Zuständigkeitsbereich
der Philosophie in vier Fragen zusammen- Was kann ich wissen? Was soll ich thun?
Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch? - und fügt hinzu, dass "sich die
ersten drei Fragen auf die letzte beziehen." Doch sie alle münden, so möchte
ich hinzufügen, in eine fünfte, die philosophisch und menschlich sicherlich
die wichtigste ist: Wie soll ich leben? Sobald wir versuchen, eine intelligente
Antwort auf die Frage zu geben, philosophieren wir. Und da wir unmöglich vermeiden
können, sie zu stellen, ist daraus zu schließen, dass wir der Philosophie nur
durch die Dummheit oder den Obskurantismus entkommen können."
Die Frage "Wie soll ich leben?" ist sicherlich hinsichtlich der erwarteten Antwort interpretierbar. Eine Antwort im Sinne der Moral ist zu eng gefasst: Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung dienen könnte (kategorischer (unbedingter) Imperativ). Einfacher ausgedrückt: Was du nicht willst, das man die tu' , das füg' auch keinem anderen zu.
Wir verstehen sie im Sinne: "Wie sollte ich in sinnvoller und verantwortungsvoller Weise leben?- unter Berücksichtigung der speziellen Randbedingungen meines Lebens, damit dieses von mir als möglichst bejahenswert,erfüllt und gelungen empfunden wird. Wir halten diesen Zusatz für notwendig, weil wir das "soll" an irgend einer Instanz, einem Kriterium festmachen sollten. Wer gibt uns sonst das konkrete "soll" vor?- abgesehen etwa von dem sehr allgemeinen Kriterium des kategorischen Imperativs. Die allgemeine Antwort auf die Frage "Wie soll ich leben?" kann im konkreten Fall bei Abgabe der eigenen Verantwortung (was durchaus für nicht Wenige auch Vorteile haben kann) sehr leicht durch äußere Autoritäten manipulatorisch gegeben werden- wobei die persönliche Freiheit nur allzu schnell "auf der Strecke bleibt".
Seiten 14, 15:
" Müssen wir Philosophie betreiben? Sobald wir uns diese Frage stellen,
zumindest wenn wir ernsthaft versuchen, auf sie zu antworten, betreiben wir
sie bereits.
... wir philosophieren auch- mehr oder weniger, recht und schlecht- wenn wir
(rational und radikal zugleich) nach der Welt, der Menschheit, dem Glück, der
Gerechtigkeit, der Freiheit, dem Tod, Gott, der Erkenntnis fragen. .. Und wer
könnte darauf verzichten? Der Mensch ist ein philosophisches Tier: Er kann nur
auf die Philosophie verzichten, indem er auf einen Teil seines Menschseins verzichtet.
Folglich müssen wir philosophieren, so weit denken, wie wir können, und weiter
als wir wissen. Zu welchem Zweck? Dem eines Lebens, das menschlicher ist, klarer,
gelassener, vernünftiger, glücklicher, freier... Das bezeichnen wir traditionell
als Weisheit: Ein Glück ohne Illusionen und Lügen. Kann man sie erlangen? Sicherlich
nie ganz. Doch das hindert uns nicht daran, nach ihr zu streben, uns ihr zu
nähern."
Seite 168:
"Es genüge, sagt Descartes, "so gut wie möglich zu urteilen,
um so gut wie möglich zu handeln." Das ist die Weisheit in nuce."
Seite 171:
".. wann finden die Erwachsenen, die von ihrer Arbeit und ihren Sorgen
in Anspruch genommen werden, die Zeit, sich der Philosophie zuzuwenden oder
wieder zuzuwnden? Keine Frage, wir müssen Geld verdien, um unser Leben zu bestreien-
und das entbindet uns aber nicht, es auch zu leben. Und wie soll das intelligent
geschehen, ohne das wir uns die Zeit nehmen, allein oder mit anderen zusammen
darüber nachzudenken, ohne das wir auf die denkbar radikalste und rigoroseste
Weise fragen, diskutieren, argumentieren und, nicht zuletzt, ohne dass wir uns
mit dem beschäftigen, was andere. überdurchschnittliche gelehrte oder begabte
Menschen darüber dachten?"
Seite 173:
""Das der Weisheit abträglichste Übel ist zweifellos die die
Dummheit", schreibt Alain. Folglich müssen wir nach einem Leben streben,
das so intelligent wie möglich ist. Doch Intelligenz genügt nicht, auch Bücher
nicht. Wozu so viel denken, wenn es für so wenig Leben ist? Wieviel Intelligenz
in den Wissenschaften, in der Wirtschaft, in der Philosophie? Und wieviel Dummheit
im Leben der Wissenschaftler, Geschäftsleute, Philosophen ... Intelligenz hat
nur insofern mit Weisheit zu tun, als sie unser Leben verwandelt, erhellt oder
anleitet. Es geht nicht darum, Systeme zu erfinden, nicht darum, mit Begriffen
zu jonglieren, sie alle sind nur Mittel, der Zweck, der einzige Zweck, besteht
darin, ein wenig besser zu denken und zu leben- oder ein wenig weniger schlecht."
Was ist überhaupt Intelligenz? Welche Arten gibt es? Die
zutreffendste Definition für Intelligenz ist wohl: "Intelligenz ist das,
was der Intelligenztest misst."
Seite 174:
"Wie soll ich leben? Das ist die Frage, mit der sich die Philosophie
seit ihren Anfängen auseinandersetzt. Die Weisheit ist die Antwort- aber in
Fleisch und Blut, gelebt, in Handeln umgesetzt.: Jeder muss seine eigene erfinden.
Darin unterscheidet sich die Ethik, die eine Lebenskunst ist, von der Moral,
die sich nur mit unseren Pflichten befasst. Dass sie verbunden werden können
und müssen, steht außer Frage. Wenn wir mal fragen, wie wir leben sollen, fragen
wir uns zugleich, welchen Platz wir unseren Pflichten einräumen wollen. Das
sind unterschiedliche Ansätze. Die Moral antwortet auf die Frage: "Was
soll ich tun?", die Ethik auf die Frage: "Wie kann ich leben?"
Die Moral gipfelt in der Tugend oder der Heiligkeit, die Ethik in der Weisheit
oder dem Glück. Nicht töten, nicht stehlen, nicht lügen?
...
Kein Nicht genügt, und deshalb brauchen wir die Weisheit; weil die Moral nicht
genügt, weil die Tugend nicht genügt. Die Moral sagt nein, aber wer gibt sich
mit den Verboten zufrieden? Liebe ist besser. Erkenntnis ist besser. Freiheit
ist besser."
Zitate aus Gert Scobel:
Weisheit- Über das, was uns fehlt, Dumont, 2008, ISBN 978-3-8321-8016-4
Seite 16:
"Zugegeben: Wir verstehen dies und
das und jenes sogar ganz genau, dank Wissenschaft und Kunst, Kultur oder Internet.
Doch wie tief geht dieses Verstehen? Und sind es nicht gerade auch die Mittel,
die uns beim Verstehen helfen, die uns andererseits neue Probleme schaffen-
etwa wenn man an die Folgen technologischer Entwicklungen denkt, aber auch an
die Folgen philosophischer oder politischer Theorien.
Die handfesten materiellen Vorteile und Verbesserungen, die uns die Wissenschaft
und Technik gebracht haben, sind nicht zu leugnen. Selbstverständlich gibt es
auch über das Materielle hinausgehende mentale oder kulturelle Vorteile. Und
doch stoßen wir immer wieder auf dieselben alten Fragen, die mit Tod, mit Leiden,
Angst, Beunruhigungen und Spannungen aller Art zu tun haben. Wer ihnen wirklich
auf den Grund gehen möchte, wer die Welt, wer sich selbst verstehen will, der
kommt weder an den Naturwissenschaften noch an den sich kontinuierlich veränderlichen
Erklärungsmustern vorbei, die die Kulturen bereithalten.
... Es ist nicht so, dass, wenn man nur die Naturwissenschaftler "frei" gewähren ließe, um ihnen die Möglichkeit zu geben, sich mit derartigen philosophischen, letzten Fragen zu befassen, man eine richtige Antwort bekäme- eine bessere als die von Philosophen oder Theologen etwa. Zuweilen sind die Antworten von Naturwissenschaftlern auf die letzten Fragen erstaunlich unangemessen und naiv. Bei genauer Analyse zeigt sich, dass gerade bei ihnen die herkömmliche Herangehensweise selten zu einem guten Ergebnis führt.
Wissenschaft ist keineswegs die einzige Form intellektueller
und vor allem existentieller Auseinandersetzung. Wer gleichsam existentiell
oder philosophisch fragt, sieht sich bald unabänderlichen Tatsachen gegenüber
wie der, dass unser Leben, so eindrucksvoll, so schön und entwickelt es auch
sein mag, leider endlich und begrenzt ist. Und dass sich diese Grenzen nicht
einfach aufheben lassen. Wir müssen lernen, mit diesen Begrenzungen ebenso umzugehen
wie mit dem Wissen um unser Ende und die leidvolle Wirklichkeit von Krankheit,
Einsamkeit und viele andere Entbehrungen , mit denen wir leben. Aber wie?
...
Die elementaren Fragen bedrängen uns immer weiter- und
mit zunehmendem Alter immer öfter. Meist haben wir bis dahin nicht oder nur
schlecht gelernt mit ihnen umzugehen. Kinderfragen frustrieren oft deshalb so,
weil sie zum Ärger der Erwachsenen zeigen, dass sie selbst in philosophischen
Dingen nicht erfahrener sind als Kinder, die das Problem nicht selten auch noch
treffender, direkter erfassen. Hinzu kommt, dass die Antworten, die wir gefunden
haben, meist Auslöser weiterer und präziserer Fragen sind (was ebenfalls frustrieren
mag, aber immerhin weiterführt).
...
Mit der Beantwortung fundamentaler Fragen werden wir nie an ein Ende kommen.
...
Die Stelle, an der sie abbrechen, kennzeichnet Sie. Sie ist Ihre Signatur, Ihr
Fixpunkt, an dem Sie sagen: Hier stehe ich und kann (und vor allem: will!) nicht
anders. Diese "letzte" Antwort ist genau die, die Sie (vorerst) am
Ende Ihrer Zweifel auf drängende und manchmal nervende letzte Fragen geben.....Doch
das ändert an der grundsätzlichen Problematik eines letztlich unausweichlichen
Abreißens der Begründungskette nichts."
Seiten 135, 136, 137, 138:
"Weisheit so lautet Balthes' erste
Bestimmung, ist die meisterhafte Lösung eines bedeutsamen und schwierigen Lebensproblems,
nämlich der Frage sowohl nach dem Sinn als auch nach Anleitungen zur praktischen
Lebensführung."...
"Entscheidend ist, so Balthes, dass sich Weisheit
einerseits tatsächlich im Alltagsleben findet und bewährt, andererseits aber
immer wieder neu auf kreative Weise entsteht. Weisheit lässt sich nicht konservieren.
Auch einmal fixierte Lebensweisheiten verlangen kreative Anwendungen."...
Balthes' erstes Merkmal (von Weisheit) war, dass Weisheit wichtige und schwierige Fragen der Lebensführung und des Sinns im Leben anspricht. Das unterscheidet Weisheit von anderen Formen des Wissens.
Was Weisheit zweitens wesentlich ausmacht, ist, dass sie ein Wissen über die Grenzen des Wissens und die Unsicherheit in der Welt beinhaltet. Weisheit ist in diesem Sinn kein technologisches Wissen, etwas, das man einfach anwenden kann wie eine Formel. Vielmehr spricht Weisheit gerade das an, was nicht erforscht, was unsicher und unbekannt ist und deshalb jeweils neu ausgelotet werden muss. Obwohl Weisheit die Grenzen des Wissens anerkennt, scheint sie trotz der Unsicherheiten eine hilfreiche und verlässliche Orientierungshilfe zu bieten- vor allem, weil sie uns davor bewahrt, zu vorschnellen und übereilten Lösungen zu greifen- so verführerisch gerade diese sein mögen.
Drittens repräsentiert Weisheit einen wahrhaft überragenden Grad von Wissen, Urteilskraft und Ratschluss....
Viertens schließt Weisheit ein Wissen um die außerordentliche Fülle von Anwendungsmöglichkeiten, zugleich aber auch um deren Tiefe und Ausgewogenheit ein. Balthes will mit dieser vierten Charakterisierung darauf aufmeksam machen, dass Weisheit eine in hohem Maße integrative Qualität zukommt. ...
Fünftens beinhaltet Weisheit eine perfekte Synergie von Geist (mind) und Charakter. d.h. eine ideale "Orchestrierung von Wissen und Tugend." Dieser Punkt unterstreicht noch einmal, dass Weisheit sich von herkömmlichem Wissen unterscheidet.
Sechstens versammelt Weisheit ein Wissen in sich, das im Sinne des eigenen Wohlergehens wie dem auch anderer seine Verwendung findet... Weisheit operiert aus der Erkenntnis der grundsätzlichen Verbundenheit des Lebens heraus: Das Wohl des einzelnen Menschen ist, genau betrachtet, nie nur ein individuelles Wohl, sondern betrifft auch sein Umfeld.
Nach Balthes wird schließlich siebtens Weisheit, so schwer sie auch zu beschreiben und vor allem zu erlangen ist, sofort erkannt, wenn sie sich manifestiert. Weisheit ist somit keine Qualität, die außerhalb unseres alltäglichen Lebens und unserer normalen menschlichen Möglichkeiten liegt."
Den letzten Punkt- dass sie sofort erkannt wird, wenn sie sich manifestiert- bezweifeln wir allerdings ganz entschieden- und sind damit nicht allein. Zitat aus dem Internet (Wikipedia zum Thema Weisheit, 2014):
"Rezeption von Weisen
Die Rezeption eines (bzw. einer) Weisen kann sehr unterschiedlich sein: Wird
der Weise verkannt, weil sich den
Menschen der Sinn des von ihm Gesagten oder Getanen nicht erschließt, können
dem Weisen Unverständnis,
Widerspruch und Ablehnung, mitunter auch körperliche Gewalt entgegenschlagen.
Leuchtet den Menschen dagegen
der Sinn des Gesagten oder Getanen ein, kann dem Weisen Bewunderung und Verehrung
für seinen gedanklichen
Tiefgang, seinen Weitblick, seine Originalität und Unkonventionalität („Querdenker“),
möglicherweise auch seinen
Mut zum persönlichen Risiko zuteilwerden. Manchmal dauert es Jahrzehnte oder
länger, bis die Ablehnung in
Zustimmung umschlägt und der Weise in der öffentlichen Wahrnehmung als anerkannt
bzw. rehabilitiert gilt."
Seite 158:
"... kann man nach alldem Weisheit mit
gutem Recht definieren als die Fähigkeit, mit komplexen Problemen auf eine (erfolgreiche!)
Weise so umzugehen, dass Geist und Wert, Denken und Handeln, Sein und Sollen
in ein hohes Maß von Übereinstimmung und Kohärenz gebracht werden. Dieser- wie
mir scheint, zentrale Aspekt von Weisheit wurde jedoch, gerade wenn es um Fragen
des Umgangs mit Komplexität ging, bislang weitgehend unterschätzt."
Seiten 139, 140:
"Dem weisen Menschen ist es um eine umfassende
Kontextualisierung der menschlichen Existenz zu tun- und damit um eine Expertise,
ein Wissen und eine pragmatische Intelligenz, die weit über das begrenzte Gebiet
eines Experten hinausgeht. ...die Wende vom frühen Erwachsenenleben zur Lebensmitte
und schließlich zum Tode hin; die Einsicht in die unverrückbaren Grenzen des
Lebens und das individuelle Scheitern vieler Lebenspläne; der Verlust einer
Balance zwischen Vorstellung und Wirklichkeit, Arbeit und Leben, Familie und
Job, Sex und Liebe, Gewinn und Niederlage; die Suche nach dem Sinn des Lebens
in einer sich immer schneller verändernden Welt- diese und andere Herausforderungen
kann man besser meistern, wenn man sich um Weisheit bemüht. Damit hat Weisheit,
auch wenn man sie wissenschaftlich zu erfassen sucht, eine kulturen- und zeitenübergreifende
Dimension. Weisheit markiert die mögliche Exzellenz menschlicher Entwicklung.
Vor allem aber bindet Weisheit die Komplexität menschlichen Lebens, die das
Bemühen um Ethik ebenso umfasst wie unmoralisches Verhalten, Vernunft und Intuition,
Gefühl und Rationalität, Person und Gesellschaft, Trennung und Gemeinschaft
und viele andere Lebensaspekte."
Seiten 160, 161:
"Weisheit fußt (also) auf der Basis der
Urteilskraft in Bezug auf die grundlegenden Fragen des Lebens- der Lebenspragmatik,
könnte man sagen. Das beinhaltet:
1. Strategien zur Erreichung der Ziele, die mit Selbstverwirklichung und der Lebensführung in Bezug auf einen Sinn des Lebens in Verbindung stehen.
2. Das Akzeptieren nicht nur der Grenzen unseres Wissens, sondern auch der für uns als endliche Wesen niemals auszuräumenden Unsicherheiten des Lebens.
3.Urteils- und Beratungskompetenz
4. ein Wissen von außergewöhnlicher Reichweite und Tiefe sowie
5. die Suche nach einer nahezu perfekten Synergie, einem Zusammenspiel von Geist und Charakter, das
6. das eigene Glück oder Wohl und das anderer ausbalanciert."
...
"In gewisser Weise arbeitet Weisheit gegen die Fragmentierung deer Vernunft, gegen einen Zerfall des Wissens und bezieht dabei den Faktor des guten, gelingenden Lebens in das wissenschaftliche Kalkül mit ein. Zugleich ist weises Verhalten geschmeidig.
...
Diese Fähigkeit, sich flexibel und adaptiv verhalten zu können, eriinert geradezu an Grundeigenschaften evolutiven- und überhaupt jedes komplexen. sichg entwickelnden Verhaltens.
...
Im Angesicht begrenzter Vernunft (und nur wer maßlos oder ängstlich ist, glaubt noch, dass Vernunft und ihre Macht grenzenlos sei) ist Weisheit in der Lage, hochkomplexe Informationen über die Bedeutung des Lebens, über Lebensführung und Sinn auf ihre essentiellen Grundlagen herunterzubrechen."
Seite 162:
"Der Kern weisheitsbezogenen Wissens
und Urteilsfähigkeit, der unter anderem die Grundbedingungen menschlicher Existenz
wie beispielsweise Emotionalität, Sterblichkeit, Verletzlichkeit, soziales Angewiesen-Sein
auf andere und Lernfähigkeit umfasst, zeichnet sich gerade dadurch aus, dass
er gesellschaftlichen Wandel überdauert. Weisheit hat einen anderen Zeitfaktor
als herkömmliches, insbesondere empirisches Wissen."
ZURÜCK ZUR EINFÜHRUNG/ ZUM ÜBERBLICK
ZURÜCK ZUM KAPITEL KUNST UND INIVIDUELLE LEBENSGESTALTUNG